Haftung eines Zuschauers wegen des Zündens eines Sprengkörpers bei einem Fußballspiel für eine dem Verein vom Sportgericht auferlegte Geldstrafe
Leitsatz der BGH-Entscheidung vom 22.09.2016 -VII ZR 14/16-
Wirft ein Zuschauer eines Fußballspiels einen gezündeten Sprengkörper auf einen anderen Teil der Tribüne, kann er vertraglich auf Schadensersatz für eine dem Verein deswegen gem. § 9a Nr. 1 und 2 der Rechts- und Verfahrensordnung des Deutschen Fußball-Bundes e.V. auferlegte Geldstrafe haften.
Die Kl. betreibt den Fußballprofibereich eines Sportvereins. Sie nimmt den Bekl. auf Schadensersatz wegen des Zündens eines Knallkörpers bei einem Heimspiel ihrer Lizenzspielermannschaft in Anspruch. Der Bekl. hatte das Fußballspiel mit einer ihm von einem Bekannten überlassenen Dauerkarte besucht. In der zweiten Halbzeit zündete er einen aufgrund seiner Sprengwirkung dem Sprengstoffgesetz unterfallenden Sprengkörper. Den Sprengkörper warf er von seinem Sitzplatz im Oberrang der Nordtribüne auf den Unterrang, in dem dieser explodierte. Dabei wurden sieben Zuschauer verletzt. Wegen dieses Vorfalls und vier weiterer vorangegangener Vorfälle bei anderen Spielen verhängte das Sportgericht des DFB eine Verbandsstrafe gegen die Kl., die sich aus einer Geldstrafe von 50.000 EUR sowie einer zur Bewährung ausgesetzten Anordnung, zwei Heimspiele unter teilweisem Ausschluss der Öffentlichkeit auszutragen, zusammensetzte. Weiterhin erteilte es der Kl. die Bewährungsauflage, insgesamt einen Geldbetrag von 20.000 EUR für Projekte und Maßnahmen zu verwenden, die der Gewaltprävention sowie der Ermittlung von konkreten Tätigen bei Ausschreitungen während der Fußballspiele dienen. Auf die Bewährungsauflage wurde ein Betrag von 19.900 EUR angerechnet, den die Kl. bereits zuvor für die Anschaffung eines Kamerasystems aufgewendet hatte. Die abgeurteilte Gesamtstrafe wurde in Anlehnung an die Gesamtstrafenbildung entwickelt. Für den vom Bekl. verschuldeten Vorfall wurde eine Einzelgeldstrafe als Einsatzstrafe eingestellt. Die weiteren Einzelstrafen wurden zu jeweils 50 % addiert, woraus sich ein Betrag von 79.000 EUR unter Einbeziehung der zu leistenden Investitionen von 30.000 EUR ergab. Der verbleibende Betrag von 49.000 EUR wurde auf 50.000 EUR aufgerundet.
Nach Begleichung der Geldstrafe durch die Kl. macht sie die Verurteilung des Bekl. zur Zahlung von 30.000 EUR, der unveränderten eingestellten Geldstrafe bei der Bildung der Gesamtstrafe, geltend. Das LG hat der Klage stattgegeben. Das BG hat unter Verneinung des Zurechnungszusammenhangs zwischen dem Werfen des gezündeten Knallkörpers und der gezahlten Geldstrafe die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl. führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Aus den Gründen:
[10] „ … Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der vom BG gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Kl. gem. § 280 Abs. 1 BGB nicht verneint werden.
[11] 1. Rechtsfehlerfrei geht das BG davon aus, dass zwischen der Kl. und dem Bekl. ein Zuschauervertrag zustande gekommen ist. Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Annahme des BG, der Bekl. habe seine ihm aus dem Zuschauervertrag gegenüber der Kl. erwachsenen Verhaltenspflichten verletzt, indem er einen Knallkörper zündete und diesen auf den Unterrang der Nordtribüne warf. Diese Pflichten ergeben sich nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des BG sowohl aus der wirksam in den Vertrag einbezogenen Stadionordnung als auch unabhängig hiervon gem. § 241 Abs. 2 BGB allgemein aus dem Zuschauervertrag (vgl. etwa OLG Rostock, NJW 2006, 1819 = SpuRt 2006, 249). Zutreffend gelangt das BG zu dem Ergebnis, dass der Bekl. durch das Zünden des Knallkörpers pflichtwidrig das Interesse der Kl. an einem ungestörten Spielablauf beeinträchtigt hat.
[12] Ohne Rechtsfehler hat das BG schließlich eine adäquate Kausalität des Zündens des Knallkörpers durch den Bekl. für die Verhängung der Verbandsstrafe durch das Sportgericht des DFB bejaht. Insb. ist es weder völlig unwahrscheinlich noch ungewöhnlich, dass Fußballclubs im Anschluss an Pyrotechnikvorfälle im Stadion Verbandsstrafen auferlegt werden (vgl. nur Walker, NJW 2014, 119, 120; Kober, Pyrotechnik in deutschen Fußballstadien, 2015, S. 131; Seip, causa sport 2016, 40, 43).
[13] 2. Rechtsfehlerhaft nimmt das BG jedoch an, es fehle an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dem geltend gemachten Schaden und der Pflichtverletzung des Bekl.
[14] a) Im Ansatz zutreffend geht das BG allerdings davon aus, dass nicht jeder adäquat verursachte Schaden zu ersetzen ist. Es entspricht ganz überwiegender Auffassung und der st. Rspr. des BGH, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen. Ein ‚äußerlicher‘, gleichsam ‚zufälliger‘ Zusammenhang genügt dagegen nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. BGH, Urt. v. 20.5.2014 – VI ZR 381/13, BGHZ 201, 263 Rn 10; v. 26.2.2013 – VI ZR 116/12, NJW 2013, 1679 Rn 12; v. 6.9.2012 – VII ZR 72/10, NJW 2012, 3371 Rn 11; v. 22.5.2012 – VI ZR 157/11, NJW 2012, 2024 Rn 14; v. 11.1.2005 – X ZR 163/02, NJW 2005, 1420, 1421f., juris Rn 18, jeweils m.w.N.; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., vor § 249 Rn 29f. m.w.N.). Im Vertragsrecht hat der Schuldner nur für die Einbußen einzustehen, die die durch den Vertrag geschützten Interessen betreffen (Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 104 m.w.N.).
[15] Nach der gefestigten Rspr. des BGH wird die haftungsrechtliche Zurechnung nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, dass außer der in Rede stehenden Handlung noch weitere Ursachen zu dem eingetretenen Schaden beigetragen haben. Dies gilt auch dann, wenn der Schaden erst durch das (rechtmäßige oder rechtswidrige) Dazwischentreten eines Dritten verursacht wird. Der Zurechnungszusammenhang fehlt auch in derartigen Fällen nur, wenn die zweite Ursache den Geschehensablauf so verändert hat, dass der Schaden bei wertender Betrachtung nur noch in einem ‚äußerlichen‘, gleichsam ‚zufälligen‘ Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage steht. Wirken dagegen in dem Schaden die besonderen Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurden, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn 55 m.w.N.).
[16] b) Nach diesen Maßstäben fehlt es nicht an einem Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Bekl. und dem von der Kl. geltend gemachten Schaden. Die der Kl. auferlegte Verbandsstrafe stammt aus dem Bereich der Gefahren, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht besteht.
[17] aa) Das BG hat – zutreffend – festgestellt, dass sowohl die Vorschriften der Stadionordnung, nach denen unter anderem das Mitführen und Abbrennen von Feuerwerkskörpern und das Werfen mit Gegenständen verboten ist, als auch die allgemeine Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Kl. (auch) dazu dienen, einen ungestörten Spielablauf zu gewährleisten, und dass der Bekl. pflichtwidrig dieses Interesse beeinträchtigt hat.
[18] Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass ein Zuschauervertrag zum Besuch eines Fußballspiels den Zuschauer, dessen einzige Hauptleistungspflicht in der Zahlung des Eintrittspreises besteht, daneben zur Rücksichtnahme auf das Interesse des Veranstalters an einem ungestörten Ablauf des Fußballspiels verpflichtet. Denn dies ist ein auf der Hand liegendes Hauptinteresse des Veranstalters. Es handelt sich dabei um ein gleichgerichtetes Interesse mit allen Vertragspartnern (Zuschauern), die ebenfalls einen ungestörten Spielablauf erwarten und erwarten können. Eine derartige Rücksichtnahmepflicht belastet den Zuschauer nicht. Er ist lediglich verpflichtet, alles zu unterlassen, was in einen ungestörten Spielablauf eingreifen würde. Derartige Handlungen unterlässt der verständige Zuschauer bereits aus dem eigenen Interesse eines ungestörten Spielablaufs.
[19] bb) Die von der Kl. auf die gegen sie verhängte Verbandsstrafe geleistete Zahlung steht in dem notwendigen inneren Zusammenhang mit der Störung des Spielablaufs. Bei dieser Bewertung und den daraus abgeleiteten rechtlichen Folgerungen handelt es sich um eine Rechtsfrage, die der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.2015 – I ZR 47/14, WRP 2016, 489 Rn 33).
[20] Die hier in Rede stehende Verbandsstrafe ist eine für den Veranstalter nicht zu vermeidende Folge gravierender Störungen des Ablaufs eines Fußballspiels. Denn ihm ist die Durchführung eines Profi-Fußballspiels im Rahmen eines Wettbewerbs (hier: 2. Bundesliga) nur mit Hilfe einer übergeordneten Organisation wie eines Verbandes möglich. Die Kl. konnte somit nicht ohne eine durch ihre Mitgliedschaft in dem Verband der deutschen Profifußballvereine vermittelte Unterwerfung unter die Statuten des DFB ein Fußballspiel der 2. Bundesliga durchführen und den Zuschauern den Besuch anbieten. Die Organisation oder der Verband, der die Rahmenbedingungen festlegt, hat das gleichgerichtete Interesse mit dem Veranstalter des einzelnen Spiels und den verständigen Zuschauern an einem ungestörten Spielablauf. Um dies durchzusetzen, bedient sich der Verband unter anderem des Mittels der Verbandsstrafe für schuldhafte Störungen durch Zuschauer; dieses ist geeignet, präventiv direkt auf die Vereine oder Veranstalter und indirekt auf ihre Fans einzuwirken, damit es zu solchen Störungen nicht kommt.
[21] Die Verurteilung durch das Sportgericht des DFB erfolgte auf der Grundlage von § 9a Nr. 1 und 2 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB. Hiernach sind Vereine und Tochtergesellschaften für das Verhalten ihrer Spieler, Offiziellen, Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfen, Mitglieder, Anhänger, Zuschauer und weiterer Personen, die im Auftrag des Vereins eine Funktion während des Spiels ausüben, verantwortlich; der gastgebende Verein und der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaften haften im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art. Damit beruht die ausgesprochene Strafe direkt auf der Störung durch den Bekl. Sie ist gerade nicht nur ‚zufällig‘ aus Anlass der Störung verhängt worden (so aber im Ergebnis Pfister, SpuRt 2014, 10, 11f., da die Strafe die Sorgfaltspflichtverletzung der Vereine sanktioniere und vor allem dazu diene, sie zu besseren Sicherungsmaßnahmen anzuhalten; LG für ZRS Wien, SpuRt 2012, 198f. zur Österreichischen Fußballbundesliga). Ihr materieller Grund ist die hier vom Bekl. verursachte Spielstörung. Ihr Zweck ist dementsprechend auch ausweislich des dem Urteil des Sportgerichts zugrundeliegenden Antrags des Kontrollausschusses des DFB, zukünftiges Zuschauerfehlverhalten auszuschließen oder zumindest zu minimieren; dieses Ziel würde auch gefördert, wenn potentielle Täter damit zu rechnen hätten, solche Strafzahlungen ersetzen zu müssen.
[22] Dem Zuschauervertrag kann nicht durch (ergänzende) Vertragsauslegung entnommen werden, trotz dieser Umstände hafte der Zuschauer für den hier eingetretenen Schaden ausnahmsweise nicht. Einen solchen Ausschluss hätten die Parteien redlicherweise, hätten sie den Fall bedacht, nicht vereinbart. Der Veranstalter, der selbst ein spielstörendes Verhalten des Zuschauers nicht sicher verhindern kann, hat ein berechtigtes Interesse daran, dass die Folgen, denen er sich nicht entziehen kann, von dem Störer getragen werden. Ein redlicher und verständiger Zuschauer hätte sich auf eine solche umfassende Haftung eingelassen. Denn ohne eine Handlung, die den Spielablauf zu stören geeignet ist, droht ihm eine derartige Haftungsfolge nicht. Er kann sie ohne Weiteres vermeiden. Ihm ist beim Abschluss des Zuschauervertrages zudem klar, dass ein Veranstalter einen Zuschauer gar nicht erst zuließe, der nicht bereit wäre, für sich selbst eine solche Handlung auszuschließen.
[23] Der Zurechnungszusammenhang kann auch nicht mit der Erwägung verneint werden, die Kl. hätte die Geldstrafe nicht zahlen müssen, weil § 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB unwirksam sei (allgemein zum Diskussionsstand: Walker, NJW 2014, 119; 120ff.; Kober, Pyrotechnik in deutschen Fußballstadien, 2015, S. 126ff.; Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, 2015, S. 219ff., 267; M. Fröhlich/H.-W. Fröhlich, causa sport 2015, 157, 158f.; Scheuch, SpuRt 2016, 58, 61, jeweils m.w.N.). Hierauf kommt es im vorliegenden Fall nicht an, weil ihre Entscheidung zur Zahlung der Geldstrafe durch das vertragswidrige Verhalten des Bekl. herausgefordert worden ist und keine ungewöhnliche oder unsachgemäße Reaktion hierauf darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2006 – I ZR 276/03, WM 2007, 1192 Rn 23; v. 7.3.2002 – VII ZR 41/01, NJW 2002, 2322, 2323, juris Rn 27 m.w.N).
[24] Verurteilungen auf dieser Grundlage erfolgen regelmäßig und werden von den betroffenen Vereinen auch befolgt (vgl. Walker, NJW 2014, 119, 124). Sowohl in der deutschen als auch in der internationalen Verbandsschiedsgerichtsbarkeit ist die Zulässigkeit dieser und vergleichbarer Normen, nach denen der Verein für ein schuldhaftes Verhalten der Zuschauer einzustehen hat, anerkannt worden (Ständiges Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen, Urt. v. 14.5.2013, SpuRt 2013, 200; TAS/CAS, Schiedsspruch v. 20.4.2007 – CAS 2007/A/1217 – Feyenoord Rotterdam v/ UEFA, SpuRt 2007, 164). Aus diesen Gründen kann es der Kl. auch nicht zum Mitverschulden gereichen, dass sie die Strafe gezahlt hat, ohne Rechtsmittel gegen die Verurteilung auf der Grundlage dieser Norm einzulegen.
[25] cc) Die Bedenken des BG greifen demgegenüber nicht durch.
[26] Entgegen der Auffassung des BG spricht der Umstand, dass es nicht bei jedem Verstoß eines Zuschauers gegen seine Verhaltenspflichten zu einem Vermögensschaden in Form einer Verbandsstrafe auf Seiten der Kl. kommt, nicht gegen die Zurechenbarkeit eines solchen Schadens. Dass es im Einzelfall zunächst ungewiss ist und von der Entscheidung des Sportgerichts des DFB abhängt, ob und welche Strafe verhängt wird, ändert nichts daran, dass gerade das Verhalten des störenden Zuschauers diesen Schaden angelegt hat. Es entspricht generell dem Schadensrecht, dass es häufig vom Zufall abhängt, ob Pflichtverletzungen zu einem Vermögensschaden führen, der zu ersetzen ist.
[27] Entgegen der Ansicht des BG spielt es auch keine Rolle, ob der Bekl. bewusst das Risiko übernommen hat, dass die Kl. mit einer Verbandsstrafe belegt wird. Unzutreffend ist ferner die Auffassung des BG, dass die in der Stadionordnung enthaltene Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall des Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände einen Hinweis darauf liefere, die Kl. sei davon ausgegangen, bei einem Verstoß keine weiteren Ansprüche auf Schadensersatz zu haben. Dieser Rückschluss ist schon deshalb unzulässig, weil, wie das BG selbst feststellt, die Stadionordnung zudem den Hinweis enthält, dass weitere Schadensersatzansprüche von der Vertragsstrafe unberührt bleiben.
[28] III. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Von seinem Standpunkt aus folgerichtig hat das BG die weiteren Angriffe des Bekl. gegen das Urteil des LG nicht geprüft und hierzu keine Feststellungen getroffen.
[29] Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das BG zurückzuverweisen.
[30] Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
[31] Ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Kl. gem. §§ 254 Abs. 1, 2 S. 2, 278 S. 1 BGB kann bereits aus Rechtsgründen weder auf eine vom Bekl. behauptete ungenügende, oberflächliche Kontrolle beim Betreten des Stadions durch von der Kl. eingesetzte Ordner noch darauf gestützt werden, ein Ordner hätte ihn bereits in der ersten Halbzeit des Spiels aufgrund seines Verhaltens des Stadions verweisen müssen. Denn im Verhältnis zum Bekl. bestand für die Kl. weder eine Verpflichtung noch eine Obliegenheit, Handlungen vorzunehmen, die ihn von Störungen des Spiels abhielten. Eine solche Beaufsichtigung oder Kontrolle darf ein Zuschauer nicht erwarten; er benötigt sie nicht, um Spielstörungen ohne Weiteres unterlassen zu können. Eingesetzte Ordner sind deshalb keine Personen, derer sich die Kl. zur Erfüllung einer Obliegenheit im Sinne einer gem. § 254 Abs. 2 S. 2 BGB entsprechenden Anwendung von § 278 S. 1 BGB gegenüber dem Bekl. bedient hat (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.2013 – VII ZR 257/11, BGHZ 197, 252 Rn 20–22; v. 14.7.2016 – VII ZR 193/14 Rn 16–18).
[32] Sollte es hierauf noch ankommen, wird die Zurückverweisung dem BG auch die Gelegenheit geben, erneut eine Haftung nach § 826 BGB zu prüfen. Mit der bisher gegebenen Begründung kann eine solche Haftung nicht verneint werden. Das BG hat einerseits festgestellt, dass auch dem Bekl. nicht entgangen sein dürfte, dass der DFB dem Verein bei entsprechenden Vorfällen eine Verbandsstrafe auferlegen kann. Andererseits sei nicht ersichtlich, dass der Bekl. eine hinreichend konkrete Vorstellung von den schädigenden Folgen seines Handelns gehabt habe, und zwar gerade in Bezug auf die Verhängung einer Geldstrafe durch das Sportgericht des DFB. Die Begründung des BG lässt nicht erkennen, inwiefern dies bei dem Bekl. nicht der Fall gewesen sein soll. Denn es bedarf zwar der Feststellung, dass der bedingte Schädigungsvorsatz die gesamten Schadensfolgen umfasst hat. Dabei braucht sich der Schädiger den genauen Kausalverlauf allerdings nicht vorgestellt und den Umfang sowie die Höhe des Schadens nicht vorausgesehen zu haben (BGH, Urt. v. 23.6.1987 – VI ZR 213/86, NJW 1987, 3205, 3206, juris Rn 18 m.w.N.). Das BG wird, wenn es nach nochmaliger Überprüfung die bei dem Bekl. vorhandene Kenntnis von den möglichen Schadensfolgen für ausreichend erachten sollte, sodann zu prüfen haben, ob der Bekl. diese bei seinem Handeln billigend in Kauf genommen hat. Hierbei kann eine Rolle spielen, mit welcher Wahrscheinlichkeit er mit dem Eintritt des Schadens gerechnet hat. Außerdem können die übrigen Umstände seines konkreten Handelns zu berücksichtigen sein. …
Quelle: ZfSch 2017, 138-141